Milíře

Milíře 2024

MILÍŘE 2024

Bereits zum elften Mal wurde die erzgebirgische Stadt Horní Blatná/Bergstadt Platten in diesem Sommer zum Gastgeber des internationalen Kunstworkshops Milíře. Künstler sowohl von der tschechischen als auch von der deutschen Seite der Grenze kehren gerne in diese Stadt mit ihrer reichen und berühmten Geschichte zurück, die seit dem Beginn des sechzehnten Jahrhunderts vor allem mit dem Abbau von Zinn und anderen Buntmetallen verbunden ist. In der Umgebung der Berge finden die Kunstschaffenden immer wiederinteressante Inspirationsquellen, sei es direkt oder indirekt, in der Stadt selbst oder in der näheren Umgebung. Die Peripetien der lokalen Geschichte, die mit der Konjunktur und dem Niedergang, mit dem Wachstum der Bevölkerung und ihrer Vertreibung verbunden sind, ob während der Zeit der erzwungenen Rekatholisierung nach dem Dreißigjährigen Krieg oder bei der Vertreibung der Bürger deutscher Nationalität nach dem Zweiten Weltkrieg, all dies hat tiefe und bis heute unauslöschliche Narben in dem Antlitz der Stadt hinterlassen. Die Anziehungskraft der hiesigen Lokalität liegt jedoch nicht nur in der Natur und dem historischen Kontext begründet. Dem Interesse und der Bereitschaft zeitgenössischer Künstler, hierher zurückzukehren, kommt sicherlich die freundliche Umgebung des Hotels Blauer Stern mit seinen einfühlsamen Mitarbeitern zugute, die sehr viel Verständnis für die Bedürfnisse der Künstler aufbringen.

Die langjährige Organisatorin der Veranstaltung ist Varvara DIVIŠOVÁ, eine Malerin aus Karlsbad, deren Domäne die Landschaftsmalerei ist, in der über der Beschreibung der äußeren Realität die Tiefe des emotionalen Ausdrucks und die Suche nach einer charakteristischen Art der Lyrisierung des Ausgangsmotivs dominieren. Eine harmonische Farbgebung, eine sparsame Palette und eine unprätentiöse Zeichnung stehen dabei im Einklang; die daraus resultierende Gestaltung der Werke wirkt entspannt, subtil stilisiert, inspiriert von den Erinnerungen und Erlebnissen der Künstlerin in der Natur, mal balladenhaft einfühlsam, mal etwas dramatischer. Die Autorin interpretiert die offene Landschaft als einen spirituellen Raum, in dem sie langfristige Möglichkeiten zur Kontemplation findet.

Der Bildhauer, Grafiker, Illustrator und Maler Ivan DUSANEK näherte sich der ihn umgebenden Realität auf eine völlig andere Weise. Vor mehr als einem halben Jahrhundert verließ er seine böhmische Heimat in Richtung Deutschland und lebt heute in der Nähe von Hof in Oberfranken. Der Künstler beschäftigte sich in diesem Jahr mit den Motiven der örtlichen Bauwerke und vereinfachte deren markante und charakteristische Elemente mit Hilfe eines Computers in exakte lapidare Fragmente. Danach druckte er sie auf großformatige Leinwände und gestaltete aus ihrer Kombinatorik originelle wirkungsvolle  Kompositionen. Die so entstandenen Neugebilde mit einem autonomen grafischen Charakter evozieren im Nachhinein die konkrete typische Architektur von Bergstadt Platten.

Zu weit entfernteren Motiven wendet sich die deutsche Malerin Iris Maria NITZL, die in ihren kosmischen imaginativen Visionen einen suggestiven Raum aus wie auch immer gearteten interplanetarischen Feldern kreiert. Wir können die kompositorischen Zusammenpralle der sich kreuzenden und überlagernden kreisförmigen fragmentarischen Linien nur hinsichtlich ihres ästhetischen Reizes und ihrer visuellen Überzeugungskraft wahrnehmen; nichtsdestoweniger reflektiert die Autorin durch sie die derzeitige negative ökologische Situation, in der die Menschheit schon seit Jahrzehnten den Weltraum mit vielen Millionen Tonnen Müll aus Weltraumexpeditionen verschmutzt und mit deren Folgen sich bisher noch niemand richtig auseinandersetzt.

Im Allgemeinen lässt sich sagen, dass sich die meisten Werke des aus dem Riesengebirge stammenden Miroslav POŠVIC auf den ersten Blick nicht durch eine starke Ausdruckskraft auszeichnen; doch seine Autorenbotschaften enthalten eine evidente innere Spannung, eine seltsame fatale Determination oder eine Art latente Vorstellung einer Bedrohung mit einem existenziellen Subtext. Ob Druckgrafik, Zeichnung, Malerei oder Rauminstallationen der Künstler löst sich stets von der Beschreibung der äußeren Realität ab und wendet sich einem persönlichen Ausdruck des Lebenssinns und seiner eigenen Wahrnehmung der Welt zu. Seine Äquivalente erschafft er mit einer tiefen Kontemplation von Raum und Zeit, in der es immer wieder zu Erinnerungen, Sehnsüchten und inneren Gefühlen kommt.

Der Karlsbader Maler und Galerist Jan SAMEC verbleibt seit einigen Jahren bei der grundlegenden Aufteilung seiner Komposition in zwei Substanzen, die man in ihrer dualen Polarität als natürlich und abstrakt, materiell und immateriell sowie emotional und rational werten könnte. Auf der Basis des Kontrasts zwischen Chaos und Ordnung schuf er auch im Außenbereich von Bergstadt Platten Kompositionen, und zwar auf einer freien Leinwand mithilfe von farbigen Abdrücken von Frottagen. Anschließend spannte er sie auf einen Rahmen im Hotelatelier und konfrontierte die ursprünglichen expressiven Formen mit der exakten Geometrie eines Quadrats oder seiner Fragmente. Dadurch verfolgte er das Ziel, ein allgemeineres Prinzip die Spannung zwischen der regelmäßigen und der chaotischen Struktur – auszudrücken.

Jan SAMEC Jr. widmet sich der Malerei seit einigen Jahren und lebt als Grafikdesigner in Prag. Derzeit unterrichtet er auch an der SPŠKS in Karlsbad, wo er ursprünglich studierte.Die zurückhaltende Koloristik seiner großformatigen Leinwände entsteht zumeist durch das Einströmen verdünnter Acrylmalerei, wobei der Künstler von der Rückseite der Leinwand einen Prozess initiiert, dessen Gestaltung er nur teilweise diktieren kann. Mittels eines experimentellen Prozesses gelangt der Autor zu Ergebnissen, bei denen er anschließend ausgewählte Passagen durch gezielte Konturierung betont oder unterdrückt. Auf diese Weise verankert bzw. korrigiert er die genetische Zufälligkeit der Malerei und der endgültige Ausdruck gewinnt den Charakter einer meditativen, überwiegend monochromen Komposition.

Die Porzellandesignerin Lenka SÁROVÁ MALÍSKÁ beschäftigt sich parallel seit Langem und sehr erfolgreich mit der Malerei. Die jüngsten malerischen Ausgangspunkte der innerlich betrachteten Landschaftsmotive, die die Künstlerin auf die Dualität von Himmel und Erde (bzw. Wasser) reduzierte, lassen sich zwar heute nicht mehr vollständig kodifizieren; das ursprüngliche Thema ist allerdings zurückgekehrt. Dadurch wird die reflektive Darstellung der Umgebung als ein Bestandteil des Lebensuniversums geschaffen, bei dem der Betrachter nicht sicher ist, ob er im Kosmos schwebt oder sich in der subjektiven Traumwelt der Autorin befindet. Der flache, helle Raum, in dem emblematische Neugebilde als Träger von geheimnisvollen Botschaften schweben, wird von einer schwungvollen malerischen Geste beherrscht.

Der aus der Region Oberfranken stammende Robert SIEBENHAAR, Bildhauer, Illustrator, Maler und bis vor kurzem aktiver Pädagoge, kam ebenfalls nach Bergstadt Platten. Seine im Grenzbereich zwischen Illustration und Bild angesiedelten Malereien zeichnen sich durch eine ausgeprägte und zerbrechliche Poetik aus, mit der der Künstler seine Erlebnisse und Erfahrungen auf eine nonchalante Art und Weise erzählt. Der narrative Charakter der Kompositionen wird zudem durch die Einbeziehung von Inschriften betont, deren Lesbarkeit fragmentarisch ist, die sich aber mit der malerischen Handschrift auf eine völlig organische Weise verbinden. Die Form der integrierten Schrift wie auch der Gesamtcharakter der Zeichnung evozieren einen kindlichen Ausdruck; dem gebildeten Betrachter ist jedoch klar, dass dies die bewusste Absicht eines erfahrenen und ausgereiften Künstlers ist.

Die Malerin und Pädagogin Anna VANČÁTOVÁ aus Dobříš/Doberschisch nimmt regelmäßig an den Blattener bildnerischen Begegnungen teil, was übrigens auch für die Veranstaltungen am ursprünglichen Standort der Milíře in der Region Tachau in den 1990er Jahren gilt. Die Suggestivität ihrer malerischen Kompositionen basiert vor allem auf der Farbe; die Autorin ist eine exzellente Koloristin mit einer ausdrucksstarken Intuition und ist zugleich durch die theoretische und praktische Schulung unter der Leitung von Doc. ZdeněkSýkora an der Philosophischen Fakultät in Prag erudiert. Die chromatische Komposition ihrer Leinwände, für die sie immer die Technik der klassischen Ölmalerei anwendet, bereichert sie noch zusätzlich durch expressive Zeichnung, die die Gesamtwirkung ihrer Werke vervollständigt.

Ein traditioneller und äußerst aktiver Teilnehmer ist Albrecht VOLK, ein Bildhauer aus Hallstadt, Bayern, der als einziger Teilnehmer im Freien arbeitete. Am Fuße des Kirchturms auf dem Marktplatz richtete er sich erneut eine provisorische Bildhauerwerkstatt ein, in der er nicht nur Steine behaute, sondern es auch noch schaffe, mit kunstinteressierten Passanten zu kommunizieren. Seine bildhauerische Morphologie manifestiert sich meist in einer ausgeprägten Reduktion der Form. Auch in diesem Jahr gestaltete hier der Bildhauer zwei vertikale Objekte mit einem lapidaren totemistischen Charakter. Beide konnten in ihrer elementaren Form reale Motive evozieren: das erste eine Art Architektur und das zweite ein florales Motiv mit einer verborgenen weiblichen Figur.

Volker WUNDERLICH hat sich in mehreren europäischen Ländern als Autor zahlreicher realisierter großformatiger Gemälde im Innen- und Außenbereich erfolgreich durchgesetzt. In ihnen präsentierte er sich vor allem als Maler-Figuralist, doch in seinem freien Werk überschreitet er mit großer Leichtigkeit thematische sowie stilistische Grenzen.  In Bergstadt Platten widmete er sich in den vergangenen Jahren eher einer Abstraktion im Grenzbereich zwischen Geometrie und informeller Malerei; in diesem Jahr war sein malerisches Interesse von realistischen Motiven dominiert, bei deren Gestaltung er aus fotografischem Material schöpfte, das er mit großer zeichnerischer Bravour und Inventionskraft kombinierte.

Die in der Ausstellung im Green House Hotel in Karlovy Vary präsentierten Werke entstanden unmittelbar während der Juliwoche in Bergstadt Platten; vertreten sind aber auch spätere Arbeiten, die nachfolgend in den Ateliers der Teilnehmer geschaffen wurden. Trotz der Vielfältigkeit der künstlerischen Ausdrucksformen und Stile lassen sich gemeinsame, verbindende Phänomene finden: die Freude am künstlerischen Schaffen, die positive Einstellung zur Welt um uns herum, die Bereitschaft, Ansichten und Gedanken auszutauschen, die Ablehnung von Passivität und das Bedürfnis, die eigene Weltansichtenzum Ausdruck zu bringen. Dies zeigte sich übrigens sowohl in der eigenen kreativen Arbeit als auch in der Bereitschaft, die anderen Kollegen wahrzunehmen, untereinander wie auch mit den Besuchern zu diskutieren, die während des Workshops kamen oder die abschließende improvisierte Ausstellung im Saal des Hotels Blauer Stern in Bergstadt Platten besuchten. Die Veranstalter des Workshops und der Ausstellung erhoffen sich, dass die Ergebnisse nicht nur die teilnehmenden Künstler, sondern auch die Besucher der Ausstellung in Karlsbad erfreuen werden.

​​​​​​​​​​Jan Samec

Karten 2024 – Teilnehmerübersicht

Milíře 2024

Arbeiten im Atelier Horní Blatná

Milíře 2023

Milíře 2023

Im Juli 2023 trafen sich Künstlerinnen und Künstler von beiden Seiten der deutsch-tschechischen Grenze bereits zum zehnten Mal an einem internationalen Workshop in Bergstadt Platten (Horní Blatná). Die beteiligten Kunstschaffenden aus beiden Ländern werden vom Erzgebirge magisch angezogen: einerseits durch den ergreifenden und etwas rauen Charakter der umliegenden Landschaft, andererseits durch die Gastfreundschaft des Hotels Blauer Stern, in dem die Künstler untergebracht waren und dort gleichzeitig über Räumlichkeiten für ihr Schaffenswerk verfügten. Der Hotelsaal verwandelte sich traditionsgemäß zum Abschluss des Symposiums am Freitag (21. Juli 2023) in eine improvisierte Ausstellungshalle, in der die Ergebnisse der einwöchigen Tätigkeit der zwölf Workshop-Teilnehmer präsentiert wurden.

Organisatorin der gesamten Veranstaltung warauch schon traditionell die Malerin Varvara Divišová, deren Motiv-Domäne die bildliche Darstellung von Landschaften bleibt, ob pur oder mit ländlicher Architektur, mit Sujets aus ihrem geliebten Südböhmen oder aus dem Erzgebirge. In ihren diesjährigen Acrylmalereien wählte sie jedoch dem Aquarell ähnelnde Verfahren, bei denen die Umrisse der einzelnen Kompositionsbestandteile einander durchdringen und scheinbar gegenseitig ineinander zerfließen. Der Charakter dieses lyrisierten Vortrags wird stellenweise durch eine gestische Handschrift, eine klarere und deutlichere Kontur, eventuell auch durch einige eindeutigere, pastöse Farbdominanten gesteigert.  So verknüpfte die Autorin ihre persönlichen Landschaftserlebnisse mit der Verallgemeinerung der Naturereignisse und der Visualisierung der farblichen Empfindungen.

In ihrer gegenwärtigen Serie kosmischer Visionen knüpft Lenka Sárová Malíská an ihren ersten umfangreichen Zyklus von vor mehr als fünfzehn Jahren an. Diese Anknüpfung ist jedoch nur motivistisch und besteht teilweise in der Nutzung der Gestik. Dies erscheint in der aktuellen Malerei lediglich fragmentarisch als Grundlage der Kompositionsstruktur (in den Spuren eines breiten Pinsels) und die Malerin nutzt ihre neue Basis zum Anspielen chromatischer Féerien, in ähnlicher Weise wie bei ihrem vorangegangenem Zyklus Seen.Allerdings verschwand die Dualität der Komposition; nun scheinen die dunklen Fragmente in dem seichten, hellen Raum zu schweben und werden so zu emblematischen Symbolen. Auch in so abstrahierten Kompositionen finden wir jedoch eine unverwechselbare Reflexion der Realität des Geschehens und ein koloristisches Spiel, das eine visuelle Spannung generiert, die für die Künstlerin charakteristisch ist.

Eduard Milka ist zwar durch und durch ein Landschaftsmaler, Aquarellist und Zeichner, aber in seinem Werk wird in den letzten Jahren sehr häufig die Acrylmalerei vertreten. Auch in dieser Technik entwirft zwar der Künstler klassische Veduten aus Bergstadt Platten und der nahen Umgebung, als sein bevorzugtes Leitmotiv erscheinen allerdings Aufnahmen von Sportlandschaften: Fragmente von Spielplätzen, ein Tennisnetz oder ein verlassenes Fußballtor mit einem samtig melancholischen Tonausklang. Der Autor belebt sie in letzter Zeit mit einer Staffage; so fahren zum Beispiel immer häufiger Radfahrer in seine Lieblingsthematik der offenen Landschaften hinein. Sie sind meist zu zweit und in solchen Positionen unterwegs, aus denen klar hervorgeht, dass sie die Unterhaltung, die Gemeinsamkeit und die Schönheit der sie umgebenden Landschaft genießen – Eigenschaften, die auch für ihren Schöpfer typisch sind.

Jan Samec der Jüngere widmet sich professionell der angewandten Grafik, die er erst in den letzten Jahren mit der freien Malerei zu verbinden begann. Größere Leinwandformate behandelt er mit sparsamen Farbflächen, in denen er eine reine Fläche mit gestischerAuffassung kombiniert. Die Wahl der Chromatik empfindet er als einen intuitiven bis zufälligen Prozess, in dem die rationale Reflexion erst in einer nachfolgenden Phase erfolgt.In den diesjährigen Arbeiten tendierte er zu Experimenten mit behutsamem Einfließen stark verdünnter Farben, gerade mit der Betonung der genetischen Prozesshaftigkeit mit deutlichem Einfluss des Zufalls, wobei die Reduzierung seiner Farbpalette bis hin zu schwarz-grauen, suggestiven Kompositionen führte.

Andrea Baumgärtner, die in Baden-Baden lebt und arbeitet, beschäftigt sich langfristig mit figuraler Thematik. In diesem Jahr ergänzte sie ihr malerisches Schaffenswerk großformatige Porträts mit der Anfertigung kleiner Arbeiten aus keramischem Ton. Diese könnten aufgrund ihrer Konzeption an die berühmten antiken Terrakottastatuetten aus dem griechischen Tanagra erinnern, die in Fachkreisen „Tanagrine“ genannt werden. Auch die deutsche Künstlerin verlieh ihnen nämlich einen speziellen Ausdruck und einige von ihnen verfügen sogar über nahezu monumentalen Charakter, was besonders bei solch kleinen Formaten überraschend ist. Obwohl Andrea Baumgärtner ebenfalls malte, dominierten in ihrer diesjährigen figuralen Kollektion die dreidimensionalen Arbeiten. Sie schuf ebenfalls Tonstatuetten als Büsten oder Halbfiguren, bei denen zumeist ein lapidarer Ausdruck über die anatomische Präzision siegte, wie auch eine besondere Energieladung, die zwischen dem Realen und dem Fantastischen oszilliert.

Unweit der tschechischen Grenze, in der Nähe der Stadt Hof in Oberfranken, lebt Ivan Dusanek, Bildhauer, Zeichner, Illustrator, Maler und bis vor kurzem aktiver Pädagoge. Sein vielfältiges Werk zeichnet sich durch originelle Verfahren, unerwartete Verbindungen verschiedener Materialien und Techniken sowie eine tiefe theoretische Gelehrsamkeit aus.Meist befasst er sich im Erzgebirge mit dreidimensionalen Arbeiten, doch in diesem Jahr schuf er zweidimensionale Collagen. Ebenfalls auf sehr unkonventionelle Weise wählte er architektonische Details in Bergstadt Platten aus, die er in einem Computer-Grafikprogramm so aus Fragmenten zusammensetzte, dass sie dem ursprünglichen, inspirativen Motiv nahe kamen, aber ihren gänzlich flachen und rein bildnerischen Charakter behielten.

Albrecht Volk, der Bildhauer aus Hallstadt bei Bamberg, ist in Bergstadt Platten eine bekannte und bei den Ortsansässigen sehr beliebte Figur. Einerseits ist er von Anfang an ein fester Teilnehmer des Plattener Symposiums, andererseits treffen ihn die Einheimischen (wie auch die Touristen) beim Arbeiten in seinem improvisierten Freiluftatelier am Fuße der St. Lorenz-Kirche auf dem Marktplatz, dem Epizentrum des örtlichen Lebens. Zudem haute er hier bereits eine Reihe von figurativen Skulpturen in Stein, Werke, die durch ihre typische lapidare Stilisierung deutlich identifizierbar sind. Die innovative Kombination des vom Bildhauer so geliebten fränkischen Muschelkalksteins mit einer Bauarmatur aus Metall brachte in diesem Jahr sehr positive Ergebnisse mit dementsprechend begeisterten Reaktionen der Besucher.  

Die Malerin Anna Vančátová aus Dobříš ist von Grund auf eine überzeugte Koloristin. Ihr präzises Farbempfinden hilft ihr, intime, farbpoetische Reflexionen zu erschaffen. Häufig dominieren in ihren Kompositionen menschliche Figuren (manchmal sind es Kinder), Köpfe, oder andere figurale Fragmente. Für gewöhnlich befindet sich alles in einem unbestimmten Raum und mit Attributen, deren Ikonographie die Künstlerin rein subjektiv und intuitiv definiert; und dennoch spüren wir eine überzeugende Aussage des Motivs. In diesem Jahr verschob sich die kultivierte Sprache der Künstlerin hin zu einem kontrastreicheren Ausdruck und einer expressiveren Handschrift, noch immer handelt es sich aber um eine unverwechselbare Abschrift der innerlich wahrgenommenen Realität in Richtung zur visuellen Eigenständigkeit.

Der Prager Künstler Miroslav Pošvic drückt sich seit langem mit einer Vielzahl verschiedener künstlerischen Techniken aus – von subtilen Zeichnungen und Grafiken über Malerei bis hin zu Installationen und Interventionen im Raum. Alle seine Werke besitzen allerdings ein gemeinsames Merkmal: den Sinn für minuziöse, feine Details, brillante Verarbeitung und eine tiefe Reflexion über deren Stichhaltigkeit. Kontemplative Überlegungen über die Natur, die umgebende Welt und auch über seine eigenen Erlebnisse überführt der Künstler in die Materialien und die Technik, die ihm in dem jeweiligen Augenblick optimal erscheinen oder die er vielleicht gerade „zur Hand“ hat. Die unprätentiösen Mittel und die zurückhaltende Farbpalette verhindern keineswegs die Darstellung der Visionen des Autors und offenbaren ein tiefes Eintauchen ins visuelle Unterbewusstsein. Hierzu gehört ebenso die ausgestellte Komposition, die auf einen Dialog zwischen Schwarz und Weiß reduziert wird.

Der Karlsbader Maler Jan Samec glaubt an den Aufbau des Bildes, so, wie es von der Moderne kultiviert und entwickelt wurde. Seine abstrakten Kompositionen, die aus gestischen Farbzügen bestehen, beziehen sich sowohl auf die primär autonome Existenz von bildlichen Beziehungen; so emanieren sie die Reflexion zur Landschaft oder zu ihren Überbleibseln im künstlerischen Gedächtnis. Der Autor fühlt sich seit einigen Jahren von geometrischen Interventionen angezogen, oder vielmehr von der Möglichkeit einer geometrischen Abgrenzung auf der Fläche des Bildes in Form eines Quadrats. Auch in diesem Jahr setzte er seine Serie fort, indem er zunächst mithilfe der Frottage die Abdrücke von Naturmaterialien auf einer losen Leinwand festhält, und konfrontiert dann auf dem schon gespannten quadratischen Format das ursprüngliche Chaos mit der nachfolgenden Logik der Geometrie in seinem Bemühen, zwischen Spannung und Harmonie zu oszillieren.

Der deutsche Maler und Autor einer ganzen Reihe großformatiger Realisationen in verschiedenen Materialien Volker Wunderlich geht ohne Zwänge und Beschränkungen durch eine künstlerische Ausbildung an sein Schaffenswerk heran. In seinen Werken verwendet er Kombinationen verschiedener Techniken und mannigfaltiger Stilrichtungen, die zu überraschenden Ergebnissen führen. Manchmal handelt es sich um einen völlig abstrakten Charakter der Kompositionen mit tachistischem Gestus, manchmal bezieht der Künstler die exakte Geometrie der Diagonalen mit einer schwarzen Kontur ein und in diesem Jahr ergänzte er seine Ideenpalette mit völlig realen Motiven aus der Umgebung oder seiner Vorstellung. Dabei arbeitet er mit nahezu uferloser Inventionskraft, erfindet eine Situation oder gar eine potenzielle Geschichte, die wie zufällig zum Vorschein kommt; all diese Verfahren des Autors tragen jedoch den deutlichen Stempel einer positiven Überzeugungskraft.

Die deutsche Malerin Iris Nitzl beteiligte sich an der Veranstaltung in Bergstadt Platten zum ersten Mal. In ihrer umfangreichen Gemäldeserie mit dem Titel „Weltraumschrott“ verweist sie auf die aktuelle Verschmutzung des Weltraums um unserenPlaneten. Seit 1957, als die Menschheit mit der Eroberung des Weltraums begann, wurden 128 Millionen Partikel in die Erdumlaufbahn gebracht: alte Satelliten, Raketenstufen, verlorene Instrumente und sonstiger Schrott, der die Erde chaosartig umkreist. Die Künstlerin bemüht sich, mit ihren Visionen diese Realität einzufangen, wobei sie geometrische Bogenlinien in verschiedenen Farben und Stärken mit einer Schar von Spritzern und Flecken kombiniert. Die Komposition dieser Phänomene bildet einen eindrucksvollen Kontrast und ein besonderes Raumgefühl, das durch die Zusammensetzung von linearen Richtungen wie auch von Farbnuancen noch gesteigert wird. Sie wirken auf den Betrachter aufgrund ihrer ästhetischen Dimensionen, obwohl er bei ihrer Wahrnehmung deren genetischen Schlüssel nicht kennen muss.

Die einwöchige gemeinsame künstlerische Arbeit der tschechischen und deutschen Künstler in Bergstadt Platten brachte interessante Ergebnisse hervor. Es hat sich wieder einmal gezeigt, dass die kreative Begegnung in solch einem gastfreundlichen und inspirierenden Umfeld ein großes Potenzial besitzt und auch für Teilnehmer, die immer wiederkehren, nichts von ihrer Attraktivität verliert. Dank der nahen Symbiose, sowohl der menschlichen als auch der intellektuellen, der gegenseitigen Toleranz und Freundschaft, konnten die Teilnehmer ihre Erfahrungen und Ansichten nicht nur untereinander austauschen;ihre Kommentare wurden auch von vielen Besuchern, sowohl Einheimischen als auch von Touristen, mit Interesse verfolgt. Daher können die Organisatoren davon ausgehen und glauben, dass dies auch weiterhin der Fall sein wird, und dass die Gäste der Ausstellung der Präsentation des gemeinsamen Schaffenswerks in der Galerie des Karlsbader Hotels Green House erfreut sein werden.

​​​​​​​​​​Jan Samec

Karten 2023 – Teilnehmerübersicht

Milíře 2023

Arbeiten im Atelier Horní Blatná

Milíře 2022

„Millíře“  wurde im Jahre 2022 zum Gastgeber von dreizehn bildenden Künstlerinnen und Künstlern; sechs von ihnen kamen aus Deutschland und sieben aus der Tschechischen Republik. Das Hotel Modrá hvězda (Der blaue Stern) auf dem Marktplatz in Bergstadt Platten (Horní Blatná) gewährte die Unterkunft wie auch einen großen Saal als Atelier und einen improvisierten Ausstellungsraum für den Abschluss des Symposiums. Für die diesjährige Veranstaltung gab es kein vorgeschriebenes Thema. Die Künstler/innen widmeten sich den inspirierenden Impulsen aus der unmittelbaren Umgebung des Erzgebirgsstädtchens oder der Entfaltung ihrer eigenen latenten Thematik. Diese wurde sowohl durch das Milieu als auch durch die gegenseitige Kommunikation untereinander, eventuell sogar mit wissbegierigen Besuchern, beeinflusst.

Der „dienstälteste“ Teilnehmer der Workshops und höchstwahrscheinlich auch der bekannteste unter den Einwohnern von Bergstadt Platten ist der Bildhauer aus Hallstadt bei Bamberg – Albrecht Volk. Einerseits residiert er wiederholt in seinem improvisierten Atelier im Epizentrum des Marktplatzes am Fuße des Kirchturms, was ihm einen unmittelbaren Kontakt zu den Vorbeigehenden sichert, und andererseits schuf er hier schon während der früheren Treffen eine ganze Reihe Steinskulpturen in seiner typischen robusten und rekapitulierenden Stilisierung.

Sehr bekannt ist in Tschechien auch die Malerin, Grafikerin und Installationsautorin Inge-Rose Lippok aus dem niedersächsischen Hannover. Nicht nur, weil sie schon 1991 an Milire am Ursprungsort teilnahm, sondern weil sie auch in vielen tschechischen Städten ausstellte, einschließlich in Karlsbad. Übrigens hat sie sich dort auch für mehrere Jahre ein „Zweigstellen- Atelier“ eingerichtet. Auch in diesem Jahr hat sie wieder eingeklebte Fragmente in ihre Malerei integriert, ein Beispiel dafür ist das ausgestellte monochrome Triptychon, dessen nahezu ausschließlich in Rot gehaltene drei Teile unkonventionell aufeinander angeordnet und durch eine dominante vertikale Kompositionsachse verbunden sind.

Anna Vančátová, Malerin und Pädagogin, die viele Jahre in Doberschisch (Dobříš) wirkte, nahm, ähnlich wie Inge-Rose Lippok, an dem Milire-Workshop schon Anfang der 90er Jahre an seinem Ursprungsort, der namensgebend für die Veranstaltung wurde, teil. Die malerische Gelehrsamkeit, die Tiefe der Kontemplation, ihre deutliche Intuition, die raffinierte Farbigkeit und die Wahl der unerwarteten Mittel und Kombinationen stellen typische Merkmale des Schaffenswerks der Autorin dar, und dies schon seit ihrem Studium an der Philosophischen Fakultät der Karls-Universität in Prag bei Dozent Zdeněk Sýkora.

Ivan Dusanek, ein Bildhauer, Zeichner, Maler, Galerist und kenntnisreicher Pädagoge, beendete vor einiger Zeit die beiden letztgenannten Tätigkeiten. Obwohl er noch mit großer Beliebtheit den Computer für seine kreative Arbeit nutzt, widmete er sich in Bergstadt Platten diesmal mehr einer dreidimensionalen gestalterischen Arbeit. In seinen fernab der Tradition aufgefassten Objekten kombinierte er die in der Umgebung gefundenen Fragmente verschiedener Materialien mit zierlichen figurativen Motiven, die er sich aus gebranntem Ton schon vorab in seinem Atelier zu diesem Zweck vorbereitete.

Kürzlich beendete seine langjährige pädagogische Tätigkeit auch der Maler, Zeichner, Bildhauer und Grafiker Robert Siebenhaar, der seine Werke stets mit großem Einfühlungsvermögen komponiert. Die Grundlage seiner Strukturen bildet eine übliche subtile Gliederung, die mal mit schwarzer, mal mit farbiger Zeichnung ausgeführt wird. Ob es sich um ersichtliche Geschichten oder abstrahierte Themen handelt – sie besitzen immer einen charakteristischen Charme und ein hohes Maß an Überzeugungskraft. In Bergstadt Platten bevorzugte der Künstler in diesem Jahr eher abstrakte Motive.

Die Malerin Andrea Bäumgärtner kam wieder nach Bergstatt Platten aus Baden-Baden angereist. Ihre Malerei wird überwiegend von figurativen Sujets dominiert; dem entsprach auch ihre diesjährige künstlerische Produktion im Erzgebirge. Es handelte sich vor allem um an einen Sommerurlaub in Südfrankreich erinnernde Thematik, in der die Autorin veristische Kompositionen mit Figuren, die meist einen Hauch konkretisierender Merkmale aufwiesen, mit floralen, an subtropisches Grün erinnernden Motiven umgab.

Varvara Divišová, Malerin und Grafikerin, übernahm abermals die Rolle der Organisatorin und Kuratorin der schon etablierten Veranstaltung. In diesem Jahr konzentrierte sie ihre malerische Produktion nicht nur auf Motive aus dem Erzgebirge; sie verarbeitete ebenfalls Sujets aus ihrem heißgeliebten Südböhmen, insbesondere aus dem Böhmerwald.Charakteristisch für sie ist ihr poetischer Lyrismus, kombiniert mit einer Vereinfachung des Themas und einem exakt getroffenen Einfangen der farbigen Stimmungen und des Wetterwechsels in der Landschaft, wie auch die gleichzeitig zarten Andeutungen von Naturereignissen.

Die oberfränkische Künstlerin Doris Bocka kam nach Bergstadt Platten zum ersten Mal. In den hier entstandenen Bildern dominierten vereinfachte Giebel verschiedener dörflicher Häuser und mit der früherer Malerei der Künstlerin verbindete sie erstens eine thematische Nähe, zweitens der Charakter der bemalten Flächen. Die individuelle Textur der Malerei erlaubt es der Autorin, selbst in der basalen weißen Tonalität eine feine Harmonie der Färbung der sich gegenseitig durchdringenden und entgegen der Umgebung kontrastierenden Flächen, die sich vermischen und mit der Umgebung, in die die stilisierten Fassaden eingesetzt wurden, kontrastieren, ins Spiel zu bringen.

Handschriftliche und farbig ausdrucksstarke Kompositionen sind typisch für die Bilder von Lenka Sárová Malíská, Malerin und Porzellandesignerin aus Karlsbad. In Bergstadt Platten entwickelte sie weiter ihr Leitmotiv des Dialogs zwischen der natürlichen Wahrnehmung und ihrer autonomen abstrahierten Position. Die grundlegende duale Aufteilung der letzten Jahre (Himmel und Erde, bzw. Wasserfläche oder Wassergräser) verfliegt allmählich in den neuen Gemälden, und zwar zugunsten einer ausdrucksstarken Handschrift und der frei schwebenden rhythmischen Elemente, die an die markanten Drusen aus den Gemälden der Autorin vor einigen Jahren erinnern.

Ein unregelmäßiger Teilnehmer des Workshops in Bergstadt Platten ist Miroslav Pošvic, ein Prager Maler, Grafiker, Zeichner, Bildhauer und Autor eindrucksvoller Installationen. In all seinen Techniken und auch bei den Materialien bringt er seinen ausgeprägten Sinn für die harmonische Kombination von Detail und der Gesamtheit zur Geltung, wobei er sich zu Recht auf seine Intuition, zeichnerische Brillanz und originelle Handschrift verlässt. Das Ergebnis sind demütige Kompositionen, die sowohl die Erfahrung des Autors mit dem ausgesuchten Material als auch ein tiefes Eintauchen in eigene individuelle Themen, Visionen und Kontemplationen offenbaren.

Ein sehr beliebter Teilnehmer der Plattener Pleinairs ist der Karlsbader Grafiker und Zeichner Eduard Milka, den die Anwohner als einen kommunikativen und faszinierten Zeichner der Detail- und Panoramaansichten verschiedener Winkel der Stadt kennen.Allerdings wird der Autor in den letzten Jahren eigentlich immer mehr zum Maler, indem er von den leicht kolorierten Federzeichnungen zu Landschaftsaufnahmen per Acryl auf Leinwand übergeht. Diese unterscheiden sich neben einer anderen Technik auch im Endergebnis, weil der Maler stärker die Komposition, Farbverhältnisse und die Art und Weise der Präsentation einzelner Bildteile durchdenkt.

Der Karlsbader Maler und Kunsttheoretiker Jan Samec gründete zusammen mit Ivo Sokol Anfang der 1990er Jahre im Ursprungsort Milíře das Zusammentreffen der Maler.Auch in diesem Jahr widmete er sich in Bergstadt Platten dem Zyklus quadratischer Kompositionen, in denen die Aufzeichnung bzw. die Farbtextur der Lokalität und der anwesenden Materialien die Basis bilden. Die im Exterieur auf roher, nicht grundierter Leinwand entstandenen farbigen Frottagen, kombinierte der Autor abermals mit exakter Geometrie, womit er teilweise die ursprüngliche organische Zufälligkeit wie auch das handschriftliche Chaos eliminierte.

Zum zweiten Mal nahm an der Veranstaltung in Platten Jan Samec Jr. teil, der in Prag lebt und dieses Jahr teilweise in seine Geburtsstadt Karlsbad als externer Pädagoge für Grafikdesign zurückkehrt. Dieser Beschäftigung widmet er sich hauptberuflich; mit freier Malerei befasst er sich aktiv seit einigen Jahren. Seinem künstlerischen Naturell entspricht am besten die Abstraktion in expressiven monochromen Lagen, für die eine freie malerische Gestik charakteristisch ist, oft im Kontrast oder auch in Koexistenz mit weiteren Schichtender Übermalung.

Die Organisatoren wie auch die teilnehmenden Künstler hoffen, dass auch die kunstinteressierten Einwohner und Besucher von Karlsbad die Ergebnisse ihrer einwöchigen kreativen Arbeit kennenlernen werden können, und zwar wieder im Ausstellungsraum des Karlsbader Hotels Green House, wo die Situation hinsichtlich des Post-Covid-Betriebs einigermaßen verzwickter wurde. Eist hoffentlich nicht zu vermessen, der Hotelleitung im Voraus für ihr Entgegenkommen und ihre Bemühungen, die erforderlichen Räumlichkeiten zu einem geeigneten Ausstellungstermin freizugeben, zu danken. Hier erfährt nämlich die abschließende Ausstellung der ältesten bestehenden Karlsbader Kunstveranstaltung, die schon seit mehr als dreißig Jahren besteht, ihren traditionellen Höhepunkt.

​​​​​​​​Jan Samec, September 2022

 

Karten 2022 – Teilnehmerübersicht

Milíře 2022

Arbeiten im Atelier Horní Blatná

Milíře 2021

M I L Í Ř E  2021

Während der diesjährigen tschechisch-deutschen Veranstaltung MILÍŘE wurde erneut bewiesen, dass die Künstlergemeinschaft trotz aller mit der Covid-19-Pandemie verbundenen Schwierigkeiten und Nöte große Lust hatte, zusammenzukommen, um gemeinsam schöpferisch tätig zu sein. Der schon zur Tradition gewordene erzgebirgische Ort des Geschehens, Bergstadt Platten,lockte die Teilnehmer wie gewöhnlich mit seinem authentischen und etwas rauen Charakter der Hochebenenlandschaft der Umgebung. Und wahrscheinlich wirkte auch die angenehme Atmosphäredes Hotels Modrá hvězda/Blauer Stern, wo die Künstler Unterkunft und bei schlechtem Wetter Background für ihr Schaffen erhielten, auf die Teilnehmer äußerst anziehend. Das alles zusammen bildete wieder nahezu ideale Bedingungen für Inspiration, kreatives Schaffen und gemeinsame Diskussionen über die Kunst. An dem Kunstsymposium nahmen sechs deutsche und sechs tschechische Künstler teil:

Albrecht Volk aus Hallstadt in Bayern gilt mit einer gewissen Übertreibung als „der Dienstälteste“, da er an allen bisher verwirklichten Plain-Air-Tagen in Bergstadt Platten teilnahm. Der immer noch sehr tatkräftige Bildhauer schaffte es, während seines intensiven Arbeitens draußen auf dem Marktplatz zusätzlich in die Umgebung aufzubrechen, um Pilze zu suchen. Seine mykologischen Streifzüge waren erfolgreich und wurden auch noch zu einem inspirierenden Leitmotiv seiner Arbeit. Die ausgestellte Sandsteinskulptur mit dem bezeichnenden Namen Pilz ist durch die summarisierte Form, die klar definierten Voluminaund das klare Bedeutungskürzel typisch für Volk’s bildhauerischen Ausdruck.

Der zweite deutsche Bildhauer, der allerdings zum ersten Mal im Erzgebirge schuf, war Rudolf Schneidmadel aus dem bayerischen Ebelsbach bei Bamberg. Der Diplom-Ingenieur der Feinmechanik begegnete der bildenden Kunst erst relativ vor Kurzem – im Jahre 2008. Er begann mit Malerei und Grafik, dann konzentrierte er sich auf die Bildhauerei.Den Schwerpunkt seines Interesses bilden figurale Motive in stilisierter Morphologie und einem vereinfachten, nahezu an ein Relief erinnernden Ausdruck. Bei Milíře nutzte er einen Eichenstamm für einen totemistischen Kopf mit flachen plastischen Übergängen, die lapidare Züge eines Gesichts erzeugen, ähnlich wie bei der ausgestellten Steinskulptur.

Die Künstlerin Inge-Rose Lippok aus Hannover nahm an der tschechisch-deutschen Veranstaltung schon in der ersten Hälfte der 1990er Jahre teil, und zwar an der ursprünglichen Lokation des Geschehens, in der Gemeinde Milíře in der Region Mies/Tachov. Obwohl das Fundament ihrer Arbeit die Malerei bildet, malt sie, zeichnet, druckt Grafiken, erschafft Collagen wie auch Raumobjekte und Installationen. In ihnen verwendet sie fast alle nur denkbaren Materialien, schichtet die bemalten, bedruckten und mit Zeichnungen versehenenUntergründe, laboriert an verschiedenen Verfahren und Kombitechniken und interveniert in die Räume. Dieses Jahr integrierte sie zum Übergreifen der Malerei zu dreidimensionalenObjekten auch die Musik von Taťána Prelevič, sodass eine originelle akustische Installation entstand.

Die deutsche Malerin Andrea Baumgärtner, die in Baden-Baden lebt und arbeitet,kam nach Bergstadt Platten zum dritten Mal. Der Charakter ihrer Arbeit verfügt überausgesprochen intuitive und nicht eindeutig definierbare Inhalte, obwohl in ihren Motiven vor allem figurale Thematik überwiegt. Dem entsprach im Erzgebirge auch die diesjährige Malerei und Klein-Bildhauerei der Autorin. Die dargestellten Figuren wie auch dieimaginären Porträts stiegen aus einer Art neutraler Umgebung in grauer Tonalität heraus und tauchten teilweise zurück, die Kompositionen erfuhren eine zwischen der realen und der Phantasiewelt oszillierende geballte Ladung, die über die Zwanghaftigkeit der Visionen derAutorin ihr Zeugnis ablegt.

Robert Siebenhaar, ein Maler, Zeichner, Bildhauer und Grafiker, lebt in Mistelgau bei Bayreuth, wo er auch künstlerisch tätig ist. Bis vor kurzem arbeitete er als Kunstlehrer an einem Gymnasium. Er ist ein geborener Erzähler, wobei er für seine unprätentiösen Botschaften hoheitlich bildnerische Mittel nutzt. Ob es sich um Zeichnung, Malerei oder Grafik handelt – er erschafft seine Kammervisionen mit einer nahezu uferlosen Invention, die er mal scheinbar bloß entdeckt, mal komplett ersinnt, die aber immer ein deutliches Siegel der Überzeugungskraft tragen. Seine diesjährigen Arbeiten aber orientierte der Künstler eher in Richtung der abstrakten Farbkompositionen mit fragilen Konturen als an die übliche Figuration.

Zum vierten Mal ist aus dem oberfränkischen Hof Ivan Dusanek angereist, ein Bildhauer, Zeichner und Maler, der, wie sein vorangehender Kollege, vor kurzem seine Lehrerkarriere beendete. Gebürtig aus der Tschechoslowakei, absolvierte er die Münchner Akademie, lebt seit 1970 in Deutschland und hilft bei den hiesigen Treffen die gelegentlichen Sprachbarrieren zu überwinden und mit seinem charakteristischen Humor eine fröhliche Atmosphäre zu schaffen. In seiner Autorenarbeit beschäftigt er sich mit ungewöhnlichen Konfrontationen verschiedenartiger Herangehensweisen, Materialien und Stilen. Dies war auch in diesem Jahr nicht anders, als er in seine keramischen Plastiken gefundenes Glas oder proportional unterschiedliche figurale Fragmente integrierte.

Anna Vančátová aus Doberschisch/Dobříš nahm schon, ähnlich wie Inge-Rose Lippok, an den ersten Jahrgängen der Freiluftveranstaltung in der ursprünglichen Lokalität der Milíře in Mies/Tachov teil. In ihren Kompositionen auf Leinwand und Papier erweist sie sich als sensible Koloristin ohne Konventionen und Hemmungen; sie kombiniert die Lichtwerte der Malnuancen, wie auch Lasuren, farbige Pinselspuren, Raster, Linien und Schraffuren. Während des meditativen Umgangs mit Farbtönen folgt sie den entstehenden Strömen der Kraftlinien, sie lässt sich von chromatischen Beziehungen verzaubern, und die Ergebnisse der Tiefenreflexionen regen sie zum weiteren Arbeiten an. Ihr diesjähriges Schaffen gehörte der stilisierten Figuration in einer gemilderten Tonalität mit Akzenten einer intensiven Chromatik an.

Eine bescheidenere, allerdings kultivierte Farbpalette ist schon seit vielen Jahren typisch für die Arbeit des Malers, Grafikers und Bildhauers Miroslav Pošvic aus Prag. In seinen flächigen Werken an der Grenze von Abstraktion und einer eigentümlichenGegenständlichkeit wird die suggestive Inspiration durch die Natur und ihre inneren Prozesseumgedichtet. Mit Hilfe einer sparsamen Palette aus einigen Farbtönen zusammen mit der zeichnerischen Zerbrechlichkeit erschafft der Künstler seine eigene Welt paranatürlicher Neuschöpfungen, Visionen und Handlungen. So können wir einen Einblick in die Tiefen des visuellen Unterbewusstseins nehmen, dorthin, wo eine charakteristische Morphologie der Imagination des Künstlers entsteht, die zusammen mit den unverwechselbaren Ausdrucksmitteln von der Reife des Autors zeugen.

Die Malerin Varvara Divišová aus Dallwitz/Dalovice bei Karlsbad, die seit vielen Jahren die Rolle der Hauptveranstalterin des Symposiums innehat, ist mit der Darstellung einer konkreten Welt stärker verknüpft. Ihre diesjährige künstlerische Arbeit wurde wieder von der für sie typisch lyrisierten Landschaftsmalerei und der Vereinfachung der Sujetsdominiert. Diese zurückhaltenden Ausschnitte oder Landschaftsprotokolle präsentierte die Autorin in einer gut lesbaren und energischen Pinselführung, mit durchdachter Aufstellung der Motive wie auch mit einer reduzierten Chromatik in einer klaren Handschrift. So entstanden originelle Landschaftsreflexionen – manchmal etwas dramatischere Kompositionen, dann wieder welche, die von einem Schleier der Nostalgie besänftigtschienen.

Der Maler und Galerist Jan Samec aus Karlsbad war der Initiator der ursprünglichen Veranstaltung vor dreißig Jahren in Milíře bei Mies/Tachov. Auch ihn inspiriert die erzgebirgische Natur – allerdings zu freieren Farbkreationen aus dem transponierten visuellen und emotionalen Erlebnis. Mit seiner diesjährigen Malerei setzte er einen offenen Zyklus quadratischer Kompositionen fort. Die Grundlage in ihnen bildet die farbige Frottage, deren optisches Erscheinungsbild mithilfe verschiedener Abdrücke an beliebten Stellen im Hotel Blauer Stern entsteht. Die zufällige, durch den Charakter der vorliegenden Naturprodukte gegebene Struktur kombiniert der Autor nachfolgend mit der exakten Geometrie der in Intensität und Farbe variierten Quadrate.

Lenka Sárová Malíská feiert große Erfolge als Porzellandesignerin, aber ihre aktuelle Autoren-Ausstellung in der interaktiven Galerie BecherVilla in Karlsbad beweist, dass sie vornehmlich eine Malerin ist. Der Charakter ihrer Malerei stieß in der reduktiven Auffassungder letzten Jahre sogar bis an die eigentliche Grenze der Abstraktion: in der Serie der Seen ist der Ausgangspunkt des Themas Landschaft mit Wasseroberfläche nahezu nicht erkennbar.Die Autorin knüpft zwar in ihrem aktuellen Zyklus an die vorangegangenen Arbeiten an – wie thematisch, so auch durch ihr Interesse an den bildnerischen Qualitäten derKompositionen, wendet sich aber gleichzeitig zur Darstellung realistischerer Motive der Wasserflora zu, die das aktuelle Leitmotiv ihrer Inspiration bilden.

Der Karlsbader Maler, Grafiker und Zeichner Eduard Milka war der Urheber desGedankens, die traditionellen Milíře nach Bergstadt Platten im Erzgebirge zu verlegen. Sein Interesse an diesem geschichtsträchtigen Ort bewies er dieses Jahr durch seine wiederholten Spaziergänge durch die Stadt und ihre unmittelbare Umgebung, wobei er immer wiederweitere inspirierende Motive mit den Realien der Architektur und auch der offenen Landschaft fand. Um kleine Veduten zu schaffen, verwendete er die beliebte klassische Technik der farbigen Federzeichnung auf Papier, für größere Formate wählte er dann Acrylmalerei auf Leinwand. Beides zeichnete sich durch seine frische Handschrift und seine charakteristische Chromatik lokaler Töne aus.

Die ungünstige pandemische Situation und die kühlere Variante des diesjährigen Juliwetters verdarb den teilnehmenden Künstlern keineswegs die gute Laune, ebenso minderte sie nicht die Lust, gemeinsam zu gestalten, untereinander zu kommunizieren, und mit den Besuchern, die während des Tages kamen, um „über die Schulter“ zu schauen, ein paar Worte zu wechseln. Die erzgebirgische Landschaft, das entgegenkommende Umfeld des Hotels Blauer Stern und vor allem die freundschaftliche Atmosphäre waren dasoffensichtliche Positivum der Veranstaltung, die viele interessante künstlerische Ergebnisse brachte. Diese unterschieden sich natürlich aufgrund ihrer mannigfaltigsten Themen, Morphologien, Stile und Ausdrücke, und die Gäste wurden bereits am Ende des Symposiums von der improvisierten Vernissage im Hotelsaal gefesselt. Die Veranstalter glauben fest daran, dass die abschließende Präsentation im schon traditionellen Ausstellungsraum des Karlsbader Hotels Green House nicht nur ein wirkungsvoller Beweis für die künstlerischen Qualitäten einzelner Autoren sein wird, sondern gleichzeitig ein überzeugendes Beispiel für die Begegnung und die entgegenkommende Koexistenz positiv gestimmter Künstler beider Seiten der tschechisch-deutschen Grenze bedeutet. Das gegenseitige Kennenlernen und dieAnnäherung während der gemeinsamen Arbeit ist doch eine klare Botschaft für die Umgebung in einer Zeit, in der leider viele politische Vertreter eher nur das Können beherrschen, Nationen voneinander wegzuführen.  

​​​​​​​​Jan Samec, September 2021

Karten 2021 – Teilnehmerübersicht

Milíře 2021

Arbeiten im Atelier Horní Blatná

Milíře 2020

MILÍŘE 2020

Diese traditionelle tschechisch-deutsche Veranstaltung wurde in diesem Jahr von einem entscheidenden Faktor mit globaler Auswirkung beeinflusst – von der Covid 19-Pandemie. Noch kurz vor dem festgelegtenSommertermin waren sich die Organisatoren nicht sicher, ob überhaupt und unter welchen Umständen der Workshop stattfinden würde. Letztendlich entspannten sich zu Beginn des Sommers die Bedingungen auf beiden Seiten der Grenze so weit, dass auch deutsche Teilnehmer kommen konnten. Die Voraussetzungen und die Anzahl der Teilnehmer mussten jedoch mit den vorgegebenen Hygienevorschriften korrelieren; sowohl hinsichtlich der Unterbringung als auch im Verlauf des kreativen Schaffens. Die Freude an der Begegnung und die Lust am Arbeiten wurden für alle Teilnehmer durch die Einschränkungen keineswegs gemindert, wie es übrigens die entstandenen und ausgestellten Werke belegen.

An den Workshops in Bergstadt Platten beteiligt sich von Anfang an Albrecht Volk, ein Bildhauer aus dem deutschen Bamberg. Als einer der wenigen teilnehmenden Künstler ließ er sich von der oben schon erwähnten Pandemiesituation inspirieren. Er ergänzte die beiden diesjährigen in Stein gemeißelten Skulpturen mit den charakteristischen Merkmalen des gefährlichen Virus; er verband seine typischen „Schlägel“ mit figürlicher Morphologie, insbesondere mit dem Motiv eines Kopfes, während er auch hier seine generelle lapidare und eindrucksvolle Stilisierung in einem dicht summarisierten Kürzel verwendete.

Ein weiterer deutscher Bildhauer, der an dem diesjährigen Milíře-Event teilnahm, war Ivan Dusanek. Als Emigrant aus der Tschechoslowakei studierte er in den Jahren 1970 bis 1975 Bildhauerei und Kunsterziehung an der Akademie der bildenden Künste in München. In seinem Schaffenswerk beschäftigt er sich oft mit ungewöhnlichen Konfrontationen verschiedener Ansätze und Einstellungen, Materialien und Stile. Ähnlich verhielt es sich auch in diesem Jahr, als er in die im Voraus vorbereiteten geometrischen Gliederungen floraleMotive der erzgebirgischen Pflanzenwelt einzeichnete und somit überraschende Kompositionen sowohl auf der Vorder als auch auf der Rückseite entstanden.

Die Künstlerin aus der niedersächsischen Stadt Hannover, Inge-Rose Lippok, nimmt nahezu regelmäßig an Milíře teil;  sie war sogar bei einem Workshop am ursprünglichen Standort in Milíře bei Tachov/Tachau dabei. In ihrer Arbeit verwendet sie mit Vorliebe verschiedenartige Materialien, und auch in ihren Bildern appliziert sie im Voraus gemalte oder gedruckte Fragmente, die sie weiter arrangiert. Die so entstandenen Kompositionen, die zwischen Malerei und Collage oszillieren, vereint sie oft zu Diptychen oder Triptychen – in letzter Zeit mit einem frequentierten Motiv eines Nestes als dem Symbol mit einer allgemeineren Bedeutung.

Auch Anna Vančátová aus Dobříš  nahm Anfang der neunziger Jahre am ursprünglichen Milíře teil. Die sensible Malerin, eine Schülerin von Zdeněk Sýkora von der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag, wandte sich von Beginn ihres eigenen künstlerischen Weges von einer Beschreibung der äußeren Realität ab, und zwar zu einer für sie charakteristischen Nacherzählung ihrer subjektiven Wahrnehmung der Welt hin. Beim Entstehen der beeindruckenden Gemälde sind ihr das deutliche koloristische Talent, die langjährige malerische Erudition und gleichzeitig die unaufhörliche intuitive Inspiration durch visuelle Reize aus der Umgebung maßgeblich behilflich.

Der Karlsbader Maler Jan Samec stand im Jahre 1991 bei der Genese der Idee, im tschechisch-deutschen Grenzland einen bildnerischen Workshop in der Natur zu organisieren. Mit seiner diesjährigen malerischen Produktion knüpfte er erneut auf den offenen Zyklus quadratischer Kompositionen an, deren Grundlage das durch Frottage erzeugte Farbchaos an dem beliebten Ort unweit des Hotels Modrá hvězda/Blauer Stern in HorníBlatná/Bergstadt Platten ist. Die so abgedruckte Textur der jeweiligen Lokalität und der vorliegenden Naturprodukte kombinierte er anschließend mit der Geometrie der Quadrate, die in ihrer Intensität und Farbigkeit variieren.

Die Malerin, Zeichnerin und Grafikerin Varvara Divišová ist seit vielen Jahren der führende Geist dieser tschechisch-deutschen Veranstaltung und dieses Jahr verhielt es sich nicht anders. In ihren lyrisch anmutenden Gemälden fängt sie einfache Motive der ländlichen Umgebung sowie der offenen Landschaft ein, ob aus dem Erzgebirge oder aus dem beliebten Südböhmen.

Durch die reduktive Sparsamkeit der Ausdrucksmittel im zeichnerischen Entwurf und auch bei der Auswahl der beliebten Farben schafft sie beeindruckende charakteristische Reflexionen der Landschaft, die manchmal voller Dramatik sind; manchmal scheint es, als ob sie einiges stiller und wie unter einem Schleier von Erinnerungen wären.

Auch eine andere Karlsbader Künstlerin, Lenka Sárová Malíská, die sich neben der Malerei auch dem Porzellandesign widmet, kehrt wiederholt nach Bergstadt Platten zurück. Der Ausgangspunkt ihrer Bilder basiert zwar auf einem intensiven visuellen Erlebnis, seine Sinnlichkeit allerdings verarbeitet die Autorin nachfolgend im eigentlichen Prozess des Malens. Dabei reflektiert sie die allgemeineren Beziehungen: des Lichtes, der Chromatik, der Komposition und der Handschrift. In diesen Relationen tauchen die ursprünglichen inspirierenden Zeichen der Natur auf und manchmal gehen sie wieder unter, denn die Malerin verfolgt die wesentlichen Elemente, die die resultierende Bildstruktur formen.

Eine völlig einzigartige künstlerische Sprache beherrscht Miroslav Pošvic, ein Prager Maler, Grafiker, Zeichner, Bildhauer und Autor von Installationen, der sich schon zum wiederholten Mal im Erzgebirge künstlerischbetätigte. Die Erwägungen  über die Natur, die umgebende Welt und über seine eigenen Erlebnisse präsentiert er mithilfe seiner sehr subtilen Gliederung der Zeichnung, zu der sich in gedämpfter Farbskala Elemente an der Grenze zwischen der gegenständlichen Darstellung und der reinen Abstraktion gesellen. Dieses scheinbare Paradoxon ist allerdings ein typisches Merkmal der Werke dieses Künstlers, das ein tiefes Eintauchen in das visuelle Unterbewusstsein evoziert.

Über eine charakteristische Poetik verfügt der deutsche Maler, Bildhauer, Zeichner und Grafiker Robert Siebenhaar, ein Absolvent der Akademie der bildenden Künste in Nürnberg, der zum zweiten Mal nach Bergstadt Platten kam. In seinen zweidimensionalen Arbeiten, ob auf Leinwand oder auf Papier, schichtet er farbige Flächen, die er wiederholt überdeckt, und so verrät die resultierende Textur nur stellenweise die Schichten des Untergrunds. Die feine Tonalität der tieferen farbigen Echos vermittelt jedoch gemeinsam mit den fragilen Zeichenkonturen die schöpferischen Botschaften des Künstlers, die manchmal eher realer, öfter aber fantasievoll sind.

Auch zum zweiten Mal nahm Andrea Baumgärtner, eine deutsche Malerin, Zeichnerin und Bildhauerin aus dem fernen Baden-Baden, am Milíře teil. Ihre Arbeit wird von figürlichen Themen dominiert, was ebenso diesesJahres bestätigt wurde. Obwohl die Bedingungen des improvisierten „Ateliers“ in dem Gesellschaftssaal des Hotels Modrá hvězda keineswegs optimal waren, erschuf die Künstlerin zwei fiktive Porträts von wahrhaftig großem Format, in denen sie die leicht stilisierte beeindruckende Zeichnung mit partieller Farbigkeit abrundete.Als ein Pendant zu diesen großformatigen Arbeiten modellierte sie eine kleine figürliche Komposition aus Ton.

Zum dritten Mal betätigte sich künstlerisch Volker Wunderlich, der Maler, Zeichner und Autor von architektonischen Realisierungen in Bergstadt Platten. Der Künstler ist stets auf der Suche nach neuen Ausdrucksmitteln, selbst mithilfe von technologischen Experimenten, Kombinationen und Innovationen. Vor einigen Jahren begann er in seiner freischaffenden Tätigkeit, zu Materialabdrucken und zur Malweise in Dripping-Technik zu inklinieren, meist in begrenzter Chromatik von schwarzen über graue Töne bis hin zum Weiß. Aus den auf diese Art abgehandelten großen Formaten wählt er dann kleinere Ausschnitte, die er weiter koloriert. Beim diesjährigen Milíře schuf er jedoch auch ein figürliches Sujet mit einem Covid-19-Motiv.

Der Karlsbader Grafiker und Zeichner Eduard Milka ist praktisch ein stabiler Teilnehmer der Veranstaltungen in Bergstadt Platten – übrigens entdeckte er sogar diesen Ort vor vielen Jahren. Er widmete hier meistens sein Augenmerk den Sujets der Stadt wie auch der offenen Landschaft in der Umgebung, die er mittels seinerfrischen lavierten oder kolorierten Federzeichnungen einfing. Von denen wechselte er vor einiger Zeit zur Acrylmalerei. Auch bei dieser Technik vergaß er sein zeichnerisches Rudiment jedoch keineswegs; die resultierende zeichnerische Gestaltung verliert sich nicht unter den Farbaufträgen, sie ist noch immer in Milkas Lieblingsmotiven, die durch unauffällige Stilisierung dargestellt werden, bestimmend.

Jan Samec, September 2020

Karten 2020 – Teilnehmerübersicht

Milíře 2020

Arbeiten im Atelier Horní Blatná

Milíře 2019

MILÍŘE 2019

Das internationale Malertreffen in der Natur der erzgebirgischen Landschaft brachte vor fünf Jahren eine grundlegende Veränderung mit sich – damals wurden zwei Ereignisse miteinander verknüpft. In dem Erzgebirgsstädtchen Bergstadt Platten fand nämlich traditionell (schon seit 2004) ein Pleinair für tschechische Künstler statt inspiriert wurde es von dem örtlichen Patrioten, Philosophen und Dichter Jindra Konečný. Und im Jahre 2014 suchten die Organisatoren nach einem neuen dauerhaften Standort für einen geeigneten Rahmen von Milíře, der langjährigen, überwiegend tschechisch-deutschen Veranstaltung. Eine Andeutung der Plattner Aktivität wurde übrigens schon im Jahre 2006 ausprobiert, als der Organisator Eduard Milka mit František Tumpach, dem damaligen Garanten der traditionsreichen Aktion der regionalen Kreis-Künstler-Assoziation Karlsbad, eine Absprache über die Verknüpfung der hiesigen Aktivitäten und der damals in der deutschen Grenzstadt Schirnding organisierten Aktion Milíře traf. Es handelte sich allerdings um eine Kooperation zweier ähnlicher Veranstaltungen „auf die Ferne“; mehrere Künstler nahmen an den beiden Open-Airs teil,und die Ergebnisse wurden erst anlässlich  einer Gemeinschaftsausstellung im Karlsbader Museum Zlatý klíč miteinander konfrontiert. Wie man aber aufgrund der vergangenen sechs Jahrgänge sieht, ist der tatsächliche Zusammenschluss der beiden Workshops lebensfähig und heute sozusagen selbstverständlich. Die partizipierenden Künstler von beiden Seiten der gemeinsamen Grenze werden nach Bergstadt Platten nicht nur von dem bestechenden und etwas rauen Charakter der Natur der Vorgebirgslandschaft in der Umgebung „angelockt“, sondern auch durch das angenehme Milieu des Hotels Modrá hvězda, in dem die Künstler untergebracht werden, und das gleichzeitig einen Unterschlupf bei ungünstigem Wetter bietet. Der Saal des Hotels wurde traditionell zu einer improvisierten Ausstellungshalle, in der am Ende der Veranstaltung, am Freitag, dem 26. Juli 2019, die fertigen und auch die sich noch in Bearbeitung befindenden Ergebnisse der eine Woche währenden künstlerischen Tätigkeit von dreizehn Künstlern präsentiert wurden.

Die deutsche Künstlerin Andrea Bäumgärtner lebt und arbeitet in Baden Baden. In der Partnerstadt – in Karlsbad – nahm sie schon vor Jahren am Artkontakt teil; in Bergstatt Platten war sie aber dieses Jahr zum ersten Mal. Sie widmet sich hauptsächlich einer figürlichen Thematik, und ihre malerische Produktion im Erzgebirge entsprach dieser Einstellung. Es scheint, als ob die Figuren und Porträts aus dem in sanfter Pastelltonalität gehaltenem Untergrund teilweise heraustreten und wieder zurückkehren würden, womit die Kompositionen einen besondere Inhalt gewinnen, der zwischen dem Realen und der Fantasie oszilliert, was auf die zwanghafte Intensität der Visionen der Autorin hinweist. Die Malerin, Grafikerin und Autorin der Installationen aus niedersächsischem Hannover,  Inge-Rose Lippok, gehört zu den langjährigen Teilnehmern von Milíře; sie partizipierte schon im Jahre 1991 an dem Pleinair am ursprünglichen Standort in der Nähe von Tachau. Diese Künstlerin laboriert bei ihrer Malerei mit verschiedenen Verfahren und Kombinationen von Techniken in der Malerei, wobei sie oft bemalte, bedruckte und mit Zeichnungen versehene Unterlagen aufeinander schichtet. Die entstandenen Bilder sind meist originelle Kollagen, in diesem Jahr dominiert das Motiv der Vogelnester in Kombination mit elementaren Symbolen der Architektur. Aus dem deutschen Grenzgebiet, konkret aus dem oberfränkischen Hof, kam nach Bergstatt Platten schon zum zweiten Mal der Bildhauer, Zeichner, Maler und Pädagoge Ivan Dusanek. Mittels einer adjustierten Verknüpfung floraler Zeichnungen, einer aufgeschichteten, golden scheinenden Grundierung und kleinen vorgefertigten figurativen Plastiken mit goldener Polychromie schuf er ungewöhnliche räumliche Assemblagen. Im Ergebnis generieren die scheinbar unvereinbaren bildnerischen Phänomene eine visuelle Spannung und die charakteristische Reflexion der umgebenden Realität. Das Schaffenswerk des Malers Wolfgang Jäger aus dem deutschen Stegaurach trägt Anzeichen einer intuitiven Verwendung der Morphologie des synthetischen Kubismus. In seinen Gouache-Gemälden kombiniert der Künstler dunkel durchgemalte Flächen mit helleren Farbpartien oder mit einer freieren Zeichnung und gleichzeitig mit dem Einkleben von Fragmenten verschiedener Zeitungsüberschriften.Die daraus resultierenden Kompositionen verraten die Erwägungen des Autors über die Welt, in der er lebt, und über die Vorstellungen, die er im Geiste seiner Weltanschauung interpretieren will. Robert Siebenhaar, Maler, Zeichner, Bildhauer und Grafiker, lebt und arbeitet im Mistelgau bei Bayreuth und schafft in seinen Werken mit einer fast uferlosen Invention Situationen oder Geschichten, die er manchmal nur zu entdecken scheint, andersmal völlig neu erfindet; immer aber tragen sie eindeutliches Siegel der Überzeugungskraft. In Bergstatt Platten verarbeitete der Künstler die Unterschichten zuerst zur Form einer attraktiv abgehandelten Textur und in so vorbereiteten Untergrund fügte er eine subtile Zeichnung mit figürlicher Thematik ein. Der häufigste Teilnehmer an den Workshops in Bergstadt Platten und hier wahrscheinlich auch der berühmteste ist der Bildhauer aus Hallstadt bei Bamberg: Albrecht Volk, der während der vergangenen Treffen eine ganze Reihe ansteinernen figurativen Statuen in seiner eindeutig typischen Stilisierung herausmeißelte. In diesem Jahr wählte er jedoch als Grundlage ein völlig neues Material, ein Drahtgeflecht nämlich, aus dem er mittels Kaschiertechnik phantasievoll zusammengefasste Skulpturen schuf, die er dann mit ausdrucksstarker Farbigkeit versah. Die Malerin und Grafikerin Varvara Divišová lebt in Dalovice bei Karlsbad und ist schon seit langer Zeit die Hauptorganisatorin und auch Kuratorin der Veranstaltung.Ihre eigene malerische Produktion richtete sie in diesem Jahr zielstrebig auf Landschaftsausschnitte,die es ermöglichten, reale Darstellungen mit Lyrisierung und Vereinfachung eines Motivs miteinander zu verknüpfen. Die Autorin kombinierte in ihren unprätentiösen Kompositionen das unmittelbare visuelle Erlebnis mit dem Bestreben, natürliche Phänomene zu verallgemeinern und zu typisieren und gleichzeitig die Veränderungen der Farbigkeit und Lichtintensität der Landschaft auszudrücken. Farbig exaltiertere Kreationen finden wir in den Kompositionen der Karlsbader Malerin und Porzellandesignerin Lenka Sárová Malíská. In Bergstadt Platten verarbeitete sie konzentriert ihr langfristiges Thema der Beziehung zwischen dem Wasserspiegel und dem Himmel in dualer Koexistenz oder auch im Kontrast zueinander. Der ursprüngliche landschaftliche Ausgangspunkt ihres Themas wird allerdings in ihrer Malerei durch die reduktive Auffassung bis zur eigentlichen Grenze der Abstraktion unterdrückt, sodass zur Dominante der Kompositionen rein chromatische Qualitäten und die unverwechselbar dynamische Handschrift werden. Die Malerin Anna Vančátová aus Dobříšnahm wie Inge-Rose Lippok schon Anfang der 1990er Jahre am Workshop am ursprünglichen Standort teil. Die essentielle Koloristik hilft der Autorin bei der ursprünglichen Transkription der äußeren Wirklichkeit in Richtung einer völlig autonomen, charakteristischen Visualität. Ihre intimen,farbig poetischen Reflexionen enthüllen sowohl in der Malerei als auch in der Zeichnung, dass sich die Künstlerin bei der Wahl der Ausdrucksmittel ausschließlich nach ihrer Intuition wie auch nach ihrer langjährigen malerischen Erfahrung richtet. Ein nahezu konstanter Teilnehmer der Freiluftmalerei ist der Grafiker und Zeichner Eduard Milka aus Karlsbad, der sich in den letzten Jahren bei den Aktionen in Bergstadt Platten größtenteils der Malerei verschrieben hat. Die Vorstufe seiner malerischen Äußerungen waren lavierte und kolorierte Federzeichnungen aus der unmittelbar umgebenden Landschaft; gegenwärtig schuf er eine Gesamtheit mehrerer Einblicke in stillgewordene Landschaftenmit befreiter Farbpalette mehrerer Farbtöne. Die nachdenkliche Melancholie des Sujets unterstrich er auch mit einer einsamen Figur eines sitzenden Mädchens. Der Prager Maler, Grafiker, Zeichner, Bildhauer und Autor verschiedener Installationen Miroslav Pošvic nahm schon öfter an demWorkshop Milíře teil. Mit seiner sehr subtilen und trotzdem überzeugenden Zeichnung bildet erVisionen und Vorstellungen von dringender Anziehungskraft, die die Natur oder ihre Formationen an der Grenze zwischen Gegenständlichkeit und Abstraktion evozieren. Die zeichnerische Brillanz des Autors zusammen mit der sparsamen Palette einiger Farbtöne zeugt sowohl von seiner bildnerischen Meisterschaft als auch von einer tiefen Kontemplation des Künstlers. Der Karlsbader Maler Jan Samec ist nicht nur ein langjähriger Teilnehmer der Veranstaltung, sondern auch einer der beiden Mitbegründer des Malertreffens am Ursprungsort des Workshops Milíře. In diesem Jahr setzte er einen umfangreichen Zyklus quadratischer Kompositionen fort, in dem die Aufzeichnung, respektive die farbige Textur der Lokalität und der vorhandenen Materialien die Grundlage bilden. Diese fängt derKünstler mittels einer Frottage-Technik auf einer unbehandelten Leinwand ein, und bemüht sich dann, die sich ergebende organische Zufälligkeit in der finalen Malerei mithilfe einer geometrischen Exaktheit verschiedenartig variierter Quadrate zu verankern. Jan Samec d. Jüngere lebt in Prag und nahm dieses Jahr zum ersten Mal am Plattner Event teil. Er befasst sich professionell mit Grafikdesign, aber erforscht schon seit mehreren Jahren die Möglichkeiten der Malerei, vor allem in ihren abstrakten Lagen. Die Korrelation zwischen Spontanität und der nachfolgenden visuellenReflexion realisiert er anhand seiner oft beinahe monochromen Kompositionen. Für sie ist die primär freie malerische Geste im Kontrast oder Koexistenz zu weiteren Schichten des Übermalens charakteristisch, und zwar häufig unter Einhaltung einer exakten Geometrie.

Die resultierende Ausstellung im beliebten Ausstellungsraum des Hotels Green House in Karlsbad beweist wieder einmal mehr die Qualität der ausgestellten Werke und auch die unterschiedlichen Herangehensweisen der beteiligten Künstler. Gleichzeitig ist es ein Beweis, wie beider Vielfalt der Stile und künstlerischen Ausrichtungen die Kommunikation zwischen den Künstlern funktioniert, wie sie in der Lage sind, sich gegenseitig inspirieren zu können. Die schöpferische Gemeinsamkeit der kleinen künstlerischen Kommunität fesselte schon viele Besucher in Bergstadt Platten, sei es während der Woche der Veranstaltung oder erst bei der abschließenden Vernissage. Die Kommunikation, bei der einige die Sprachbarriere überwinden mussten, verlief allerdings für alle Beteiligten positiv und anregend. Deswegen waren mit den Ergebnissen nicht nur die Künstlerzufrieden, sondern auch die Veranstalter, denen wir, wie auch allen Unterstützern dieser Traditionsveranstaltung, auf diesem Wege einen großen Dank aussprechen möchten.

Karten 2019 – Teilnehmerübersicht

Milíře 2019

Arbeiten im Atelier Horní Blatná

Milíře 2018

Das diesjährige internationale Symposium der Bildenden Kunst MILÍŘE 2018 führte zehn Künstler zusammen: fünf aus Tschechien und ebenso viele aus Deutschland. Für niemanden der Teilnehmenden handelte es sich um eine absolute Premiere; trotzdem begegneten sich hier in Bergstadt Platten einige der Teilnehmer zum ersten Mal. Die Kreis-Kunst-Assoziation Karlsbad (Krajská umělecká asociace Karlovy Vary) verschob allerdings den Zeitpunkt für das Treffen vom üblichen Sommertermin auf den Juni, ansonsten blieb fast alles beim Alten: Die Unterkunft und die Räume zum sich Entfalten gewährte das Hotel Blauer Stern (Modrá hvězda) auf dem Plattner Marktplatz und die Veranstaltung wurde von den BürgermeisterInnen der erzgebirgischen Städte des Verbands Bystřice unterstützt. Allerdings verhielt sich das Wetter in diesem überdurchschnittlich warmen Sommer zu den Teilnehmern nicht besonders gnädig, es regnete nahezu die ganze Woche. Trotzdem bot das improvisierte Atelier im Hotelsaal ein mehr als ausreichendes Refugium für die Kreationen aller partizipierenden Künstler, die sich durch die Ungunst des Wetters nicht die Laune und die Freude am künstlerischen Schaffen verderben ließen. Alle waren zudem auch am Thema der „Pflichtarbeit“ interessiert, indem sie zumindest in einem ihrer Werke auf den 100. Jahrestag des Entstehens der Tschechoslowakei reagieren sollten. Die daraus resultierenden Arbeiten verschenkten sie dann an die Hauptunterstützer, d.h. an die Vertreter des Verbands der Gemeinden von Bystřice. Zuvor wurden diese Werke jedoch zusammen mit den freien Arbeiten am Ende der Arbeitswoche bei der Vernissage der Ausstellung mitten im Epizentrum des künstlerischen Schaffens – im Saal des Hotels Modrá hvězda (Blauer Stern) in Platten ausgestellt.

Varvara Divišová war erneut die Hauptorganisatorin der Freiluft-Malerei und widmete sich liebevoll nicht nur den Bedürfnissen anderer Teilnehmer, sondern auch ihren beliebten Landschaftsmotiven. Diese liefern ihr auf lange Sicht gesehen eine fast unerschöpfliche Quelle der Inspiration, um ihre eigenen Erfahrungen und Erlebnisse in unprätentiösen Aufzeichnungen der Natur, der freien Landschaft und der ländlichen Architektur auszudrücken. Die Malerin beweist hier den Sinn für wirkungsvolleDiffusion farbiger Flächen, oft mit bedeutungsvoll hervorgehobenen Details und manchmal auch mit einem leichten Hauch von Nostalgie.  

Ivan Dusanek aus dem bayerischen Hof ist ein Bildhauer, Maler, Pädagoge und Künstler, der die Computergraphik nutzt, in der er zu einem reifen künstlerischen Ausdruck heranwuchs. Hierbei war ihm sein langfristiges Interesse an klassischer Kunst in ihren gehobenen Lagen behilflich – von der Antike bis zur Renaissance und dem Barock, an deren Beispielen er seine zeichnerischen Fähigkeiten weiterentwickelte. In seinen Arbeiten kombiniert er oft scheinbar unvereinbare Komponenten –  anthropomorphe Zeichnungen mit fotografischen Drucken und exakten Farbflächen. Während des Symposiums nutzte er die vor Ort erstandenen Kunststoff-Formteile von Tieren (Ziegen), die er mit einer unrealen intensiven Polychromie versah und mit ihnen im Bereich der Gemeinde intervenierte.

Hansjürgen Gartner kam in die Bergstadt Platten aus dem weit entfernten Augsburg, wo er lebt und sich vor allem im Bereich der Grafik und Malerei betätigt. Für seine diesjährigen Bilder verwendete er fotografische Drucke, wie vor einigen Jahren, als er eine beeindruckende Bilderserie aus den Aufnahmen des Plattner Friedhofs schuf. Die jetzigen Arbeiten kamen allerdings scheinbar eher einer Pop-Art Auffassung nahe, denn es handelte sich evident um Werbeaufnahmen. Die in ihnen eingefangenen weiblichen Gesichter scheinen emotionslos zu sein, doch der Künstler übermalte sie mit einer geometrischen Struktur, und die daraus resultierenden Bildaussagen gewinnen so völlig andere, sogar überraschende Konnotationen.

Inge-Rose Lippok aus dem niedersächsischen Hannover nahm an dem Pleinair in Tschechien schon öfter teil und jedes Mal kombinierte sie sehr gern wie die Motive, so auch die verschiedenen Mittel ihrer Darstellung. Diesmal jedoch dominierte als Leitmotiv ihrer Arbeit ganz eindeutig das Vogelnest in vielen Formen. Um es darzustellen, nutzte die Künstlerin im Voraus vorbereitete Fotos und grafische Drucke, die sie dann auseinander schnitt und in kleinen Assemblagen fertigmalte. Die entstandenen kleinen Kompositionen mit einer angedeuteten Mikrogeschichte wurden zu einer Reihe geordnet, sodass sich im Polyptychonneue Zusammenhänge und auf der symbolischen Ebene auch andere Inhalte ergaben.

Miroslav Pošvic ist ein renommierter Grafiker, Maler und auch ein Installations- Autor, der vor allem in seinen Lithografien ein klares Gefühl für die Kombination der Flächen mit der zerbrechlichen Linie des Details hat. Aber auch in seiner Malerei gestaltet der Künstler auf seine charakteristische Weise Szenerien, die sich von der normalen Erfassung der Realität befreien, und dies in Richtung einer abstrakten Vision mit archetypischen Fragmenten. Nichtsdestotrotz fühlen wir in ihnen eine intensive Verbindung mit dem ursprünglichen natürlichen Impuls. Dem ist auch die exzellente selektive Farbigkeit mit beeindruckender Lumineszenz und einem besonderen, als ob unbestimmbaren Raum behilflich.  

Jan Samec setzte in diesem Jahr eine Reihe komponierter Quadrate fort. Für sie verwendete er die Frottagen, die durch die Malerei auf freier Leinwand in unmittelbarer Nähe des Hotels Blauer Stern entstanden waren. In die Malerei drückte sich zufällig wie auch programmatisch die Textur des Ortes ab, an den die Leinwand hingelegt wurde, d.h. Steine, Äste und andere Elemente. Nach dem Aufspannen zu einem quadratischen Format versuchte der Maler, Chaos und Ordnung zu reflektieren. Und zwar so, dass er die ursprüngliche expressiv traktierte Unterlage mit der exakten Geometrie des vorab definierten Quadrats konfrontierte.

Lenka Sárová Malíská feierte zwar große Erfolge als Porzellan-Designerin, ist aber genausoeine essentielle Malerin. In Bergstadt Platten setzte sie die Motive fort, die vom Ohridsee im fernen Mazedonien inspiriert wurden. Der postmoderne Fauvismus der Autorin hinterließ in ihnen einen Hauch von Horizont mit der Wasseroberfläche als grundlegende Landschafts- und Kompositionseinteilung. Dies wird im Laufe der weiteren Entwicklung eher zu einem emblematischen Symbol oder einer freien Plattform zum Beginn eines Spiels mit bunten Feerien und chromatischen Exaltationen, unter deren Oberfläche wir ein ausgeprägtes koloristisches Talent der jungen Künstlerin finden.

Anna Vančátová beherrscht viele Möglichkeiten und Finessen der modernen Malerei, doch in ihrer Einstellung finden wir noch immer ihre Unmittelbarkeit und Faszination für die Malerei. Die erfahrene Malerin kombiniert verschiedene Valeurs, Lasuren, Farbpunkte, Linien und Schraffuren; sie schichtet Farben übereinander, verfolgt den entstehenden Fluss der starken Striche und lässt sich durch die chromatischen Beziehungen als Ergebnisse der nahezu metaphysischen prozessualen Aktion verzaubern und auf sich selbst rückwirken. Die daraus resultierenden Kompositionen nähern sich manchmal dem Charakter der befreiten Malerei der Pariser Nachkriegsschule, wir finden aber immer eine starke subjektive Interpretation des Motivs, das aus der Erforschung des Gedächtnisses und der eigenen Emotionen der Autorin stammt.

Albrecht Volk ist beinahe ein stabiler Teilnehmer der Milíře und wahrscheinlich auch der bekannteste Künstler in Bergstadt Platten, weil seine Skulpturen direkt vor Ort am dortigen Marktplatz unterm Kirchturm entstehen. Für seine Werke sind lapidare, exakt abgegrenzte skulpturale Formen mit unkonventioneller persönlicher Mythologie, wie auch die Nutzung der erkannten  Prinzipien der westeuropäischen modernen Bildhauerei charakteristisch.Gelegentlich kombiniert er seinen beliebten Stein mit einem anderen Material, wie es bei einer ausgestellten Skulptur der Fall ist, wo die Nägel im Kopf eine originelle bis surrealeHyperbel evozieren.

Volker Wunderlich ist Autor zahlreicher großformatiger Gemälde in verschiedenen Innen- und Außenräumen in ganz Europa, in denen er sich mehr oder weniger als Schöpfer figurativer Thematik präsentiert. Sein freies Schaffen stellt jedoch eine andere Position dar, weil er meist zu einer abstrakten Ausdrucksweise tendiert. Vor Kurzem spielte es sich noch vor allem in der Morphologie des Tachismus ab, in der Gegenwart aber erscheinen gestische Farbflecke in seinen Bildern und Zeichnungen zwar auch, allerdings in einem reduzierten Maße und im Kontrast zu den exaltiert definierten geometrischen Linien und den Bereichen der Ton-in-Ton-Malerei und Vollfarbflächen.

 

Die anschließende Ausstellung in der Galerie des Karlsbader Hotels Green House präsentiert sowohl die Werke, die unmittelbar in der Juniwoche in Bergstadt Platten entstanden sind, als auch die späteren Arbeiten, die erst nachfolgend in den Ateliers der Teilnehmer entstanden sind. Es ist interessant, wie die Künstler auf verschiedene Weise die Anregungen der erzgebirgischen Umgebung verarbeiteten. In der Malerei: Von einer nahezu realistischen Ausführung bis zu einer Ausdrucksweise, die nur andeutet, expressiv bis abstrakt. In dreidimensionalen Werken: Von Skulpturen bis hin zu konzeptuellen Rauminterventionen. Trotz dieser Manigfaltigkeit an künstlerischen Ausdrucksweisen und Stilen finden wir in den ausgestellten Werken jedoch ein gemeinsames / verbindendes Phänomen, und zwar eine aktive positive Einstellung gegenüber der umgebenden Außenwelt, die Ablehnung von Passivität und die Notwendigkeit, die Fragen der Gegenwart anzusprechen. Dies kam zum Ausdruck in der Bereitschaft, andere Kollegen wahrzunehmen, nicht nur untereinander, sondern auch mit den Besuchern, die während des Workshops oder der Abschlussausstellung hereinschauten, zu diskutieren. Die Organisatoren glauben fest daran, dass nicht nur die teilnehmenden Künstler, sondern auch die Unterstützer der Veranstaltung an den Treffen und den Ergebnissen Freude haben, und gleichzeitig hoffen sie, dass die ausgestellten Werke das Interesse der Besucher der Ausstellung in Karlsbad wecken werden.

Karten 2018 – Teilnehmerübersicht

Milíře 2018

Arbeiten im Atelier Horní Blatná